Lena Westphal

4 Uhr

Im Dezember 2020 entwickelte ich eine kurze Graphic Novelle, basierend auf einer Kurzgeschichte, die ich als Teenager schrieb. Dies war mein erstes Projekt dieser Art und weckte meine Leidenschaft für grafisches Erzählen.

Dies ist die Kurzgeschichte die ich im Rahmen des THEO Schreibwoche 2013 schrieb. Der THEO – Berlin-Brandenburgischer Preis für Junge Literatur bietet einigen ausgewählten Teilnehmern die Chance an einer ein wöchigen Schreibwerkstatt teilzunehmen. Im Rahmen dieses Workshops schreiben Kinder und Jugendliche im Alter von 9 -19 Jahren Prosa und Lyrik jeglicher Art und entwickeln so ihre Fähigkeiten weiter.

4 Uhr

Eine Mischung aus Hitze und Gerüchen schlägt ihm aus der Menge von verschwitzten Körpern entgegen.
Die Scheinwerfer blenden ihn, machen ihn blind. Er nutzt die wenigen Sekunden um sich zu konzentrieren. Auf seine Bewegungen, seine Stimme, sein Instrument.
Die Müdigkeit bestimmt seine Haltung. Seine Stimme wird gebrochen klingen, durch die Schlaflosigkeit, die ihn seit Monaten begleitet.
Seine Schultern hängen tief, sodass sich sein Instrument an ihn schmiegt, wie ein fehlendes Körperteil. Sein Umriss zeichnet einen Energie geladenen Berg. Ein Riese, der nun langsam seinen Kopf hebt, sich zum Mikro beugt.
Sein Blickwinkel weitet sich. Als rückten die schwarzen Wände auseinander. Als schwebt die dunkle Decke immer höher.
Seine Bühne ragt in den Raum und es scheint, als dränge die hitzige Menge das kleine Quadrat mit aller Macht an die Wand.
Sie wogt und wippt. Jede Schwingung einer Saite, jeder Schlag auf dem Schlagzeug, jeder Schritt wird imitiert von dem Tier.
Je mehr Lieder er spielt und je wärmer es wird, um ihn herum und in ihm, desto klarer wird ihm, was er eigentlich verloren hat.
Die Hitze erinnert ihn an den Erfolg, den er schon gehabt hat und den, der folgen wird. Ihm wird schwindelig und er vermisst den Halt.
Je größer die Dinge werden und je mehr Bedeutung sie gewinnen, desto unbedeutender wird er und was er tut.
Jetzt will er sich in dem Tier verlieren, vor ihm, das stinkt und schwitzt und brüllt. Und er brüllt und schwitzt und stinkt.
Der Alkohol klebt am Boden, der Rauch in den Klamotten und die Musik in den Köpfen.
Lichtkegel schwingen durch den Raum. Wenige Sekunden: Er sieht das gleißende Licht, das aufgerissene Maul der Menge und das Rot hinter seinen geschlossenen Lidern.
Als er die Bühne verlässt, ist die schreckliche Stunden, zwischen den Zeiten, in der eigentlich alles seinen Stillstand findet.
Zu spät um auszugehen.
Zu früh um aufzustehen.

Date
Dezember 2020